Zurück

15.06.2025

Live Is Life!

Ob Covid ein lang ersehnter Grund war, endlich nicht mehr überall dabei sein zu müssen, oder ob die Kulturfaulheit eine Folge des Lockdowns ist –keine Ahnung. Viele begründen die seit der Pandemie sehr stark gesunkenen Besucher:innenzahlen an Konzerten, Lesungen, Kino- oder Theatervorstellungen auch mit einem Überangebot an Veranstaltungen. Aber kann es denn zu viel Live-Kultur geben? 

  

Ich bedaure natürlich, dass viele Leute lieber daheim bleiben anstatt rauszugehen und Live-Momente zu sammeln. Aber tausendmal weniger Verständnis habe ich, wenn Veranstalter:innen bei harzigem Vorverkauf Events immer häufiger absagen. Mit dem Argument, es lohne sich nicht, für zehn Nasen die Technik hochzufahren. Seit wann ist der Kapitalismus so viel stärker als die Leidenschaft für die Kultur? Was sehne ich mich nach der DIY- und vor allem Do-it-grad-extra-Mentalität der 80er Jahre. Auch wenn ich damals zu klein war, um ernsthaft davon zu profitieren. Klar ist Geld Verdienen nett. Aber letztlich schreiben wir für diesen Blog auch gratis, weil es uns wichtig ist, der Kultur eine Plattform zu bieten und die Welt damit ein kleines bisschen schöner zu machen.

 

Dass magische Momente nicht einmal einer Technik bedürften, bewiesen grad zwei Bands, die ich in den letzten Monaten live gesehen habe. Am Konzert von Veronica Fusaro, kürzlich im Burgdorfer Casino Theater, kündigte ein horrormässiges Geräusch einen mindestens 15-minütigen Technikausfall an. Es tat so weh in den Ohren, und dennoch verliess kein Mensch fluchend den Saal. Fusaro setzte sich an den Bühnenrand, die Band um sie herum, und sie spielten das Set unbeirrt weiter – mit dem, was ohne Jus halt noch so funktionierte. Diese paar Minuten, die Intimität dieses einzigartigen Live-Moments, werden mir als eines der schönsten Konzerterlebnisse ever in Erinnerung bleiben. Ähnliches geschah Anfang Jahr bei den Libertines im Volkshaus Zürich. Die Technik fiel aus, die Band spielte weiter. Und irgendwann holte Peter Doherty den Schraubenschlüssel und begann gut gelaunt an der Box rumzuwerkeln. Niemand ging – zumindest hätte ich das nicht mitbekommen – denn die Panne hatte mindestens ebenso viel Charme und Unterhaltungswert wie ein tadellos runtergejasstes High-Tech-Programm. 

 

Ich habe also zwei Bitten an alle Menschen, denen Kultur wichtig ist.

  • Konsument:innen: Streicht euch doch die Daten schöner Veranstaltungen wieder fett in der Agenda an, kauft Tickets im Vorverkauf und schwärmt dann auch tatsächlich aus, wenn das Live-Erlebnis gekommen ist. Das nimmt denjenigen den Wind aus den Segeln, die den kulturellen Wert auch weiterhin in Zahlen messen werden. Und es unterstützt die, die Kunst erschaffen und somit Wertvolles für die Gesellschaft leisten.
  • Veranstalter:innen: Profit machen ist verlockend, got it. Aber die Welt wird nicht besser, wenn man dabei vergisst, warum man sich überhaupt je für eine Laufbahn in der Kultur entschieden hat. Wohl eher nicht aus finanziellen Gründen. Es lohnt sich also IMMER, den Vorhang zu öffnen, sei es auch nur für eine Handvoll Menschen. Erst recht heutzutage, wo die Kultur nicht nur helfen kann, das Weltgeschehen zu verdauen. Sie bietet auch eine extrem wichtige Form der Auseinandersetzung mit politischen Themen und gesellschaftlichen Geschehnissen. Sie hilft, auf eine bessere Zukunft zu hoffen.

Ihr wisst, was ich meine. Miriam

 

Bild unten: Peter Doherty beim Schrüblen.

 

IMG_5711.jpg